Ditzingen, 19.1.2024. Was bewegt aktuell tausende Bäuerinnen und Bauern, durch massive Proteste erhebliche Störungen in der gesamten Bundesrepublik zu verursachen? Vor welchen drängenden Herausforderungen stehen landwirtschaftliche Betriebe gegenwärtig? Und welche politische Weichenstellung braucht es für eine zukunftsfähige Landwirtschaft? Diese Fragen erörterte Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Freitag mit ökologisch und konventionell arbeitenden Landwirt:innen auf dem Bioland-Hof Grieshaber und Schmid in Ditzingen. Der Betrieb mit Milchviehhaltung, Acker- und Gemüsebau war bereits Gastgeber bei den Öko-Feldtagen im Juni 2023.
Berichte zur landwirtschaftlichen Praxis aus erster Hand
Im Rahmen einer Betriebsbesichtigung zeigten die Bauernfamilie und der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau (AÖL) e.V. Marcus Arzt ganz praktisch auf, welche Auswirkungen die Politik auf die tägliche Arbeit hat. Aktiv ging Kretschmann in den Austausch mit den Praktiker:innen. Aus aktuellem Anlass stand das Thema Agrardiesel ganz oben auf der Gesprächsliste. Darüber hinaus ging es um die Bewirtschaftungsauflagen zum Erosionsschutz (GLÖZ5), die momentan auf Landesebene eine praktikable Lösung vermissen lassen. Auch die schwache Marktposition der Landwirtschaft und den dadurch entstehende Preisdruck sprachen die Bäuerinnen und Bauern an. Ihnen bot sich durch den Besuch eine gute Gelegenheit, dem Chef der Landesregierung aus erster Hand ihre Perspektive auf gegenwärtige Entwicklungen und politische Entscheidungen zu schildern.
Für die Landwirt:innen sind mit dem Besuch des Ministerpräsidenten große Hoffnungen verknüpft. Sie brauchen die Unterstützung der Politik, um auch in Zukunft zuverlässig und nachhaltig hochwertige Lebensmittel erzeugen zu können. So betonte Marcus Arzt in Bezug auf die geplante schrittweise Streichung der Agrardieselvergünstigungen: „Wir fahren mit dem Traktor nicht in Urlaub. Wir wollen weg von fossilen Brennstoffen, aber haben gegenwärtig keine Alternativen. Wir benötigen hier Unterstützung und keine Einkommenskürzung.“
Betriebsleiter Reinhard Grieshaber ärgert sich über überbordende Bewirtschaftungsauflagen: “Wir haben eine Vielzahl von klimatischen, geologischen und geografischen Besonderheiten in Baden-Württemberg. Landwirtschaft geht nicht nach dem Kalender. Was im Rheingraben richtig ist, passt nicht für die Alb. Ich muss hier nach der Beschaffenheit von Boden und der Witterung meine Entscheidungen eigenverantwortlich treffen – nicht anhand widersinniger theoretischer Auflagen in Gesetzeswerken.” Besonders ärgert den Landwirt die fehlende Flexibilität: “Führe ich eine angepasste, situative Bodenbearbeitung durch, die aber nicht zu den Auflagen passt, werde ich im Gesamtbetrieb äußerst hart sanktioniert.“
Wertvolle Eindrücke für die weitere politische Arbeit
Ministerpräsident Kretschmann dankte für die unmittelbaren Einblicke in die Arbeit und alltäglichen Herausforderungen der Betriebe. Konkret sicherte er zu: „Ich werde mich umgehend des Themas Erosionsschutz annehmen, das lassen wir so nicht stehen. Sie können sich sicher sein, dass wir das Ernst nehmen!“
„Wir halten zu Euch ”, bestätigte auch Martin Hahn, MdL und Vorsitzender des Agrarausschusses des Landtags Baden-Württemberg den Bäuerinnen und Bauern und versprach, sich intensiv für deren Belange einzusetzen.
Nun liegt es am Ministerpräsidenten, die gewonnenen Eindrücke und Erkenntnisse in konkrete agrarpolitische Maßnahmen umzuwandeln. Es geht um sichere und zukunftsfähige Produktionsbedingungen für die Landwirt:innen in Baden-Württemberg – und um regionale Lebensmittel aus dem Ländle, auch in Zukunft.
Zur AÖL: Die AÖL ist die gemeinsame Vertretung der ökologischen Anbauverbände in Baden-Württemberg. In dieser Funktion gestaltet die AÖL aktiv die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen im Land mit. Als Bindeglied zwischen Politik, Markt und Verbraucher befördert sie die Belange der Ökologischen Land- und Ernährungswirtschaft durch ein aktives Tun. Gemeinsam mit staatlichen Einrichtungen und anderen berufsständigen Organisationen arbeitet sie die gesellschaftlich erwünschten Stärken von ökologisch erzeugten und verarbeiteten Produkten – im Besonderen von heimischer Öko-Verbandsware – im Interesse des Verbrauchers als Konsument wie als Steuerzahler heraus.
Bild 1_MP_Tafelrunde: Ministerpräsident Kretschmann im Austausch mit Landwirten. Von links Tafel: MdL Dr. Markus Rösler, MdL Martin Hahn, Vorsitzender des Agrarausschuss Landtag BW, Ministerpräsident Wilfried Kretschmann, Gastgeber Biolandbauer Reinhard Grieshaber; Marcus Arzt, Vorsitzender Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau BW und Biobauer.