Esslingen, 19. September 2017. Für die AÖL steht fest: Der derzeit zur Diskussion stehende Kommissionsentwurf zur Revision der EU-Öko-Verordnung bedeutet für den wachsenden Sektor der ökologischen Agrar- und Ernährungswirtschaft eine Verschlechterung anstatt einer Weiterentwicklung. Die grundlegenden Probleme lassen sich mit diesem Entwurf nicht lösen. Der vorliegende Kommissionsvorschlag muss folglich endgültig vom Tisch.
„Anstatt die von Sektorvertretern und unabhängigen Experten herausgearbeiteten Probleme des Ökolandbaus zu beseitigen und das Verbrauchervertrauen in Bio-Produkte zu stärken, drängt die EU-Kommission darauf, ein Gesetz zu erlassen, das die gesamte Öko-Branche um Jahrzehnte zurückwirft“, befürchtet Dr. Christian Eichert als Sprecher der AÖL. „Trotz der nun jahrelangen Verhandlungen beinhaltet der jetzt vorliegende Entwurf keine besseren, sondern deutlich schlechtere Regeln für unseren Sektor“, so Eichert weiter.
Mangelhafter Entwurf gefährdet Bio im Kern
Die Mängel betreffen dabei nicht nur einzelne Regelungen, sondern berühren mehrere Aspekte der Erzeugung von Bio-Produkten und des Handels mit ihnen im Kern. Besonders gravierend ist der nicht praktikable Umgang mit Verunreinigungen aus der konventionellen Landwirtschaft. So sollen Öko-Landwirte dazu verpflichtet werden, entsprechende Vorsorgemaßnahmen zu treffen. Dazu müssten sie versuchen, ihre konventionell wirtschaftenden Nachbarn zu Veränderungen bei der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln zu bringen und dies auch noch dokumentieren. „Sollten diese unsinnigen Regeln in Kraft treten, würde dies zu sinnlosen ‚Grenzstreitigkeiten‘ zwischen Bio-Bauern und ihren konventionellen Kollegen führen. Eine solche Praxis ist realistisch nicht umsetzbar und hätte massive Konsequenzen für die Haftung der Bio-Bauern“, so Eichert.
Auch die Regelungen zur Kontrolle sind höchst problematisch. Sehr weitgehende Ausnahme-regelungen könnten dazu führen, dass viele Betriebe nicht mehr jährlich, sondern nur noch in jedem zweiten Jahr kontrolliert würden. „Die garantierte jährliche Kontrolle ist für das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher in Bio-Produkte elementar wichtig und darf nicht ausgehöhlt werden“, fordert Eichert im Namen der AÖL.
Offene Fragen und jahrelange Rechtsunsicherheit
Aufgrund vieler noch fehlender Produktionsregeln, die erst in Form von Anhängen und mittels Ermächtigungen definiert werden müssten, bleiben weiterhin offene Fragen in Bezug auf den zukünftig gültigen Rechtsrahmen für den Ökolandbau in der EU. „Bis über die vorgesehenen 34 delegierten Rechtsakte und 26 Durchführungsrechtsakte zu diversen Aspekten Klarheit besteht, würden mehrere Jahre vergehen – diese fortgesetzte Rechtsunsicherheit darf man der Branche nicht zumuten“, kritisiert Eichert.
Hintergrund zum Verfahren
Nachdem die Beschlussfassung über die Ergebnisse der Trilog-Verhandlungen – auch aufgrund der Bedenken des deutschen Landwirtschaftsministers Christian Schmidt – von der Tagesordnung der Sitzung des Agrarrats im Juli genommen worden war, werden sich Agrarrat und Agrarausschuss des Europaparlaments in den nächsten Wochen wieder mit der Thematik befassen. Vorgesehen ist eine formale Abstimmung über die Ergebnisse des Trilogs ohne weitere inhaltliche Beratung. Sollten der Rat und das EU-Parlament den Trilog-Ergebnissen zustimmen, wäre die neue EU-Verordnung beschlossen.
Hintergrund AÖL: Die AÖL ist die gemeinsame Vertretung der ökologischen Anbauverbände in Baden-Württemberg. In dieser Funktion gestaltet die AÖL aktiv die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen im Land mit. Als Bindeglied zwischen Politik, Markt und Verbraucher befördert sie die Belange der Ökologischen Land- und Ernährungswirtschaft durch ein aktives Tun. Gemeinsam mit staatlichen Einrichtungen und anderen berufsständigen Organisationen arbeitet sie die gesellschaftlich erwünschten Stärken von ökologisch erzeugten und verarbeiteten Produkten – im Besonderen von heimischer Öko-Verbandsware – im Interesse des Verbrauchers als Konsument wie als Steuerzahler heraus.
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