Esslingen, 5. Mai 2017. Mit ihrer im Mai 2016 geschlossenen Koalitionsvereinbarung hat die grün-schwarze Landesregierung das Bekenntnis verbunden, die baden-württembergische Landwirtschaft auf breiter Basis zu fördern und weiterzuentwickeln. Getreu dem Motto „öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“ bekannten sich die Koalitionäre zur Ausrichtung der Agrarförderung an konkret erbrachten gesellschaftlichen Leistungen. An prominenter Stelle nimmt die Koalitionsvereinbarung Bezug zum ökologischen Landbau („Wir werden den ökologischen Landbau weiter voranbringen“). Im Rahmen einer Landtagsdebatte sagte Landwirtschaftsminister Peter Hauk jüngst die Öko-Bewirtschaftung von landwirtschaftlicher Nutzfläche betreffend: „Auch wir in Baden-Württemberg haben ein Ziel vor Augen. Aber wir wollen nicht 20 Prozent, wir wollen mindestens 25 Prozent der Fläche. Ich glaube, das entspricht auch der höheren Kaufkraft und dem Bedürfnis der Bürger in unserem Land.“

Nach einem Jahr grün-schwarzer Regierungsarbeit zieht die AÖL nun Bilanz und bewertet, wie weit die politisch selbst gesteckten Ziele in konkrete Maßnahmen umgesetzt wurden. Oder anders gesagt: Wo wurde tatkräftig angepackt und wo blieb es bei Lippenbekenntnissen und Sonntagsreden.

Derzeit stellt täglich ein landwirtschaftlicher Erzeugerbetrieb in Baden-Württemberg seine Produktion auf „Bio“ um, für die kommenden Jahre wird mit vergleichbaren Umstellungszahlen gerechnet. Als Konsequenz besteht die Notwendigkeit, zusätzliche Mittel für die Agrarumweltmaßnahmen Umstellung und Beibehaltung der ökologischen Bewirtschaftung bereitzustellen. Jenseits mündlicher Zusicherungen fehlt jedoch bis jetzt das klare Bekenntnis der Landesregierung, dass eine verlässliche Förderung politisch gewünscht und finanziell abgesichert ist.

Im Rahmen des Landesprojekts „Beratung.Zukunft.Land“ werden landwirtschaftliche Erzeugerbetriebe sowohl in ihrem unternehmerischen Handeln als auch bei neuen Strategien in der Vermarktung beraten. Qualifizierte Beratungskräfte tragen Sorge, dass Ökonomie, Ökologie und soziale Aspekte auf den Höfen in Einklang gebracht werden. In diesem Zusammenhang stoßen jüngst bekannt gewordene Überlegungen des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, die Beratungsförderung im Bereich der Umstellung auf Ökologische Bewirtschaftung zu beschneiden, auf unser Unverständnis. Dieses Vorgehen würde nicht nur den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag entgegenlaufen, sondern in Zeiten des fortschreitenden Umbaus der Agrar- und Ernährungswirtschaft im Land hin zu mehr Ökologie auch grundsätzlich ein falsches Zeichen setzen.

Das Engagement der Landesmarketinggesellschaft MBW in Richtung ökologische Land- und Ernährungswirtschaft hat sich in den zurückliegenden Monaten deutlich vermindert. Die verfügbaren Mittel zur Ausgestaltung des Öko-Aktionstags und der gewählte Rahmen machen deutlich, dass der strategische Fokus der Landes-Tochtergesellschaft auf anderen Themen liegt. Ein zeitgemäßes Konzept für einen Öko-Aktionstag fehlt. Wir fordern die Landesregierung dazu auf, ein festes Budget für die Durchführung von Aktionstagen zum Ökologischen Landbau zu beschließen, um in Zukunft gegenüber einer breiten Öffentlichkeit die Vorteile der heimischen Erzeugung und Verarbeitung ökologischer Produkte herauszustellen und attraktive Einblicke in den Sektor zu ermöglichen. Ergänzend notwendig ist eine moderne Marketingkampagne, die den Endverbraucher über die Vorzüge von Öko-Nahrungsmitteln informiert und für Bio aus der Region wirbt.

Die von der AÖL geforderte und im Koalitionsvertrag zugesagte Weiterentwicklung des Aktionsplans „Bio aus Baden-Württemberg“ findet derzeit nicht statt. Die lange verlangte Festsetzung eines konkreten Finanzrahmens für den Aktionsplan blieb ebenso aus wie die zugesicherte Zwischenbewertung des Aktionsplans unter Einbezug des Sektors. Eingebrachte Themenvorschläge wie eine angemessene und ideologiefreie Berücksichtigung der Themen des ökologischen Landbaus in der beruflichen Ausbildung oder Maßnahmen zur Steigerung des Einsatzes ökologisch produzierter Lebensmittel im Außer-Haus-Verzehr blieben bisher unberücksichtigt. Mit mehr Öko-Produkten und entsprechenden flankierenden Schulungsangeboten in landeseigenen und weiteren öffentlichen Einrichtungen und Kantinen könnte die Landesregierung ihrer herausgehobenen Leitbildfunktion im Bereich der Nahrungsmittelverwendung Rechnung tragen.

Die Maßnahmen zur Umsetzung von Bio-Musterregionen sind zeitlich und inhaltlich auf einem guten Weg. Das Land fördert damit einen geeigneten Ansatz, um die ökologische Land- und Ernährungswirtschaft in Baden-Württemberg zielgerichtet zu stärken und nachhaltig wirksame Leuchttürme zu schaffen. Erfreulicherweise sicherte das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz zu, das in den Nebenabsprachen hinterlegte Budget von jährlich 2 Millionen Euro vollständig für die Umsetzung dieser Koalitionsaussage einzusetzen.

In der Grundkonzeption des Kompetenzzentrums Ökologischer Landbau Baden-Württemberg (KÖLBW) sollen am Standort Emmendingen-Hochburg für die drei Themenbereiche Bildung, Forschung und Praxis Kompetenzen aufgebaut und mit weiteren landesweiten Aktivitäten zusammengeführt werden. Die Praxisaktivitäten konnten auf ein gutes Gleis gesetzt werden. Rund um die Fachschule für Ökologischen Landbau bestehen derzeit personelle Kapazitätsengpässe und – aus Sicht der Fachschüler – auch Nachbesserungsbedarf bei der inhaltlichen Ausrichtung des Unterrichts. Die Einrichtung eines Versuchswesens zum Ökologischen Landbau und der Aufbau des „Kompetenzzentrums Ökolandbauforschung“ konnten noch nicht vertiefend angegangen werden.

Hinsichtlich einer Stärkung des ökologischen Landbaus an der Universität Hohenheim wurde universitätsintern ein Umsetzungskonzept erarbeitet, welches die Zustimmung der AÖL findet. Ein finanzielles Konzept zur Umsetzung der Koalitionsaussage liegt – Stand heute – noch nicht vor. Die AÖL fordert die Landesregierung dazu auf, zeitnah ein schlüssiges Finanzkonzept vorzulegen, um eine Einhaltung der Koalitionszusage sicherzustellen.

„Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Landesregierung im zurückliegenden Jahr einige wichtige Impulse zur Weiterentwicklung des Biolandbaus in Baden-Württemberg gesetzt hat, was wir sehr begrüßen. In weiteren zentralen Punkten steht das Ergebnis hinter den gesetzten Zielen zurück. Aufgrund des in diesen Themen bestehenden akuten Handlungsbedarfs kann die Jahresbilanz in weiten Teilen nicht zufriedenstellend ausfallen. Um den ökologischen Landbau in Baden-Württemberg adäquat und nachhaltig zu fördern, muss daher an einigen Stellen couragiert nachjustiert werden“, resümiert Dr. Christian Eichert in seiner Funktion als Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau Baden-Württemberg e.V.

Die Gesamtbewertung findet sich hier

 


Hintergrund AÖL: Die AÖL ist die gemeinsame Vertretung der ökologischen Anbauverbände in Baden-Württemberg. In dieser Funktion gestaltet die AÖL aktiv die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen im Land mit. Als Bindeglied zwischen Politik, Markt und Verbraucher befördert sie die Belange der Ökologischen Land- und Ernährungswirtschaft durch ein aktives Tun. Gemeinsam mit staatlichen Einrichtungen und anderen berufsständigen Organisationen arbeitet sie die gesellschaftlich erwünschten Stärken von ökologisch erzeugten und verarbeiteten Produkten – im Besonderen von heimischer Öko-Verbandsware – im Interesse des Verbrauchers als Konsument wie als Steuerzahler heraus.

Ansprechpartnerin für Presseanfragen:

Imme Schäfer, Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau Baden-Württemberg e.V. (AÖL e.V.), c/o Bioland Landesverband Baden-Württemberg e.V., Schelztorstr. 49, 73728 Esslingen

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